Litografie 1860 v. Siegburg

Heimat Siegburg

Engelbert Humperdinck und Siegburg

Am 1. September 1854 erblickte Engelbert Humperdinck um 12 Uhr mittags in Siegburg das Licht der Welt.

Sein Geburtshaus ist das heutige Stadtmuseum, mitten im Zentrum der Stadt. Das 1826/1827 erbaute Gebäude diente zunächst als höhere Stadtschule, seit 1852 als Progymnasium. Engelberts Vater Gustav war seit 1853 als Lehrer an diesem Institut tätig und bewohnte eine Dienstwohnung innerhalb des Gymnasiums, in der Engelbert zur Welt kam.

1877 wechselte Gustav Humperdinck als Lehrerinnenseminar-Direktor nach Xanten, zurück in die Region der familiären Ursprünge – ein Datum, das zugleich das Ende von Engelberts Siegburger Zeit bedeutete. Letzte elterliche Wohnung war in dem Haus Humperdinckstraße/Ecke Heinrichstraße, da die Gymnasialwohnung baulichen Erweiterungen zum Opfer fiel.

Engelbert war das erste Kind von Gertrud und Gustav, drei Geschwister gesellten sich in den nächsten Jahren hinzu: Ernestine (*1856), Adelheid (*1858) – die spätere Hänsel und Gretel-Librettistin – und Max (*1863). Musikalische Prägungen erhielt Engelbert früh von seiner Mutter; Konzerte besuchte Engelbert mit seinen Eltern vor allem in der nahe gelegenen Universitätsstadt Bonn. Mit der Primareife schloss Engelbert seine Schullaufbahn am Siegburger Progymnasium, der Schule seines Vaters, ab. Für die zwei verbleibenden Jahre bis zum Abitur wechselte er nach Paderborn, wo ihn alte Freunde, Kollegen und Verwandte seiner Eltern mit offenen Armen empfingen.

Nach seinem Abitur 1871 begann er eine Bauzeichnerlehre im Büro des Kreisbaumeisters Court in Siegburg, denn Vater Gustav stand einer Berufsmusikerlaufbahn Engelberts skeptisch gegenüber. Mit Unterstützung der Mutter hat sich Engelbert dennoch zur Aufnahmeprüfung am Kölner Konservatorium vorgestellt, die Aufschluss geben über das Talent Engelberts und damit seinen weiteren Weg sollte. Nach der bestandenen Prüfung konnte sich Humperdinck nunmehr ohne Einschränkung der Musik widmen.

Während des Studiums am Kölner Konservatorium bewohnte Engelbert ein Zimmer in Köln und fuhr über die Wochenenden zurück in seine Heimatstadt Siegburg – zumal er dort mittlerweile einen einflussreichen Freund gewonnen hatte, den musikliebenden Amts- und Friedensrichter Johannes Degen. Dieser veranstaltete regelmäßige Kammermusiken, in denen Engelbert eigene Kompositionen erproben und vorstellen konnte. Mit dem Gewinn des Frankfurter Mozartpreises 1876 war eine Fortführung des Studiums in München gesichert, was den Abschied aus der rheinischen Heimat bedeutete. Spätestens mit Gustavs Wechsel nach Xanten 1877 war das Kapitel "Siegburg" für Engelbert beendet; er meldete seinen Wohnsitz in Xanten, der neuen Heimatstadt seiner Eltern an.

Dennoch hielt Humperdinck auch weiterhin Kontakt zu seiner Geburtsstadt. Die räumliche Nähe späterer Aufenthaltsorte wie Köln oder Bonn bot Anlass, gelegentlich in Siegburg und Umgebung vorbeizuschauen. Siegburg-Besuche fanden in unregelmäßigen Abständen, jedoch konstant bis in die letzten Jahre statt. Fester Programmpunkt dabei war stets der Besuch des Grabes seiner früh verstorbenen Schwester Ernestine auf dem Alten Friedhof (Johannesstraße). Der letzte Siegburg-Besuch ist für 1918 überliefert.

Künstlerische Siegburg-Bezüge

Die Liebe zum Rheinland und zu seiner Heimatstadt Siegburg schlug sich gelegentlich in Humperdincks Werken nieder. Bereits 1874 vertonte er ein Rheinlied nach einem Text des Siegburger Malers und Freundes August Halm. Das Lied Am Rhein huldigt nicht nur dem Fluss, sondern auch seiner eigenen Vorliebe für Wein: "Wenn im sonnigen Herbste die Traube schwillt am sagenumwobenen Rhein, wie so freudig der Sang aus der Seele quillt beim funkelnden, köstlichen Wein!" Der Drachenfels ist Schauplatz seiner Spieloper Gaudeamus.

Noten "Am Rhein"
Noten "Am Rhein"
Gaudeamus
"Gaudeamus"

Zwei Werke Humperdincks sind es aber, die den Namen Siegburgs in der Musikgeschichte verankert haben: Das Orchesterwerk Die Siegburger Glocken und das Benedictus für Männerchor, 1915 "dem wiedererstandenen Benediktiner-Konvent Michelsberg zu Siegburg" gewidmet.

Das letzte größere vollendete musikalische Werk Humperdincks war sein Streichquartett C-Dur, dessen Veröffentlichung und Uraufführung er jedoch nicht mehr erlebte. Es knüpft an das mehr als vier Jahrzehnte zuvor in Siegburg entstandene und erstaufgeführte Klavierquintett an. Dieser Blick zurück wurde schließlich auch zum bestimmenden Thema seines allerletzten Werks, den Siegburger Kindheitserinnerungen Die Zeitlose, in denen sich der Komponist im wahrsten Sinne des Wortes ins Siegburg des Jahres 1864 zurückträumt und dabei sich selbst als Kind begegnet.

Humperdinckjahr 2021

Siegburger Humperdinck-Pflege

Nach Humperdincks Tod gab es erstmals 1935 größere Humperdinckfeiern in Siegburg mit einem Festkonzert und einer Ausstellung. Die dort gezeigten Objekte wurden zum Grundstock des Humperdinck-Bestandes des Siegburger Stadtarchivs.

Die Gründung einer Engelbert-Humperdinck-Gesellschaft mit Sitz in Siegburg im 25. Todesjahr 1946, die sich des künstlerischen Erbes Humperdincks annehmen sollte und von Humperdincks Sohn Wolfram energisch vorangetrieben wurde, kam jedoch über die Anfangsbemühungen nicht hinaus und scheiterte letztlich. Prominente Festkonzerte zu Ehren Humperdincks gab es mehrfach, wie etwa 1971 anlässlich des 50. Todestags mit der Rheinischen Philharmonie Koblenz. Seit 1989 veranstaltet die Musikschule der Kreisstadt Siegburg alljährlich stattfindende Humperdinck-Musikfeste. Zu Ehren Humperdincks wurde gleichzeitig ein (seitdem regelmäßig stattfindender und mittlerweile international renommierter) Kompositionswettbewerb ins Leben gerufen. 1998 wurde der Verein Humperdinckfreunde Siegburg e.V. gegründet, der neben der Erinnerung an den Komponisten auch die Veranstaltungen der örtlichen Musikschule fördert.

Mit der Gründung der Musikwerkstatt Engelbert Humperdinck Siegburg 1999 im Rahmen des Bonn-Berlin-Ausgleichs stand der Stadt auch eine musikwissenschaftlich fundierte Forschungseinrichtung zu Humperdinck, als eigener Fachbereich angegliedert an die Musikschule, zur Verfügung.

Unter der Federführung des Musikwerkstatt-Leiters Dr. Christian Ubber konnten seitdem nicht nur eine Gesamtausgabe seiner Klavierlieder, sondern auch das gesamte bisher unveröffentlichte Kammermusikschaffen sowie bisher ebenfalls ungedruckte Orchesterwerke – darunter auch die Siegburger Glocken – in Kritischen Urtextausgaben veröffentlicht werden. Parallel zu den Humperdinck-Editionen der Musikwerkstatt wurde ein Sonderpreis für Humperdinck-Interpretation beim Wettbewerb Jugend musiziert ins Leben gerufen – ein Beispiel, das Schule machte: Beim Internationalen Liedduo-Wettbewerb Rhein-Ruhr wird ebenfalls ein von der Musikwerkstatt geförderter Humperdinckpreis vergeben.

In der Humperdinckabteilung im heutigen Stadtmuseum, seinem Geburtshaus, sind mittlerweile zwei Originalinstrumente des Meisters als Dauerleihgaben beheimatet, die für Konzerte genutzt werden: Ein Steingraeber-Flügel von 1898 aus dem Frankfurter Humperdinck-Nachlass sowie ein Mand-Olbrich-Glockenflügel von 1904 aus Familienbesitz.

 

Mand-Glocken Flügel 1904
Mand-Olbrich-Glockenflügel im Stadtmuseum Siegburg